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Friends for dogs e.V.

22.Dezember 2021

Wie ein einziger Notfall die Tierschutzarbeit komplett lahmlegt.

Leevi

Viele von euch haben es über die sozialen Medien vermutlich bereits mitbekommen: Eine neue Pflegestelle hat überraschend aufgegeben. So etwas kommt manchmal vor, lässt sich nicht immer vermeiden und zeichnet sich in der Regel über einen längeren Zeitraum hin ab. 
Meist ärgern wir uns darüber nicht oder wenn, dann nur im Stillen, und vermeiden es strikt im Internet schmutzige Wäsche zu waschen. Fruchten alle Hilfs- und Unterstützungsangebote nicht (wir organisieren und bezahlen in solchen Fällen selbstverständlich professionelle Trainer) oder stoßen sie -wie hier- gar auf taube Ohren, sucht man eine neue Pflegestelle -in diesem Fall gab es ein Angebot für Anfang Januar- organisiert eine saubere Übergabe und beendet -wenn man sich zu sehr ärgern musste- im Zweifelsfall die bisherige Zusammenarbeit möglichst geräuschlos und dauerhaft. 


Kenzo - Zuhause

Die Dynamik, mit der sich die Sache in der letzten Woche zugespitzt hat, hat uns in diesem Fall jedoch wirklich richtig angekratzt. Nach einer ordentlichen Achterbahnfahrt aus „alles ist o.k.“ und „alles ist furchtbar“ in beinahe täglichem Wechsel, inclusive zahlreicher inhaltlicher Widersprüche im Stil von „ich bin leicht erkältet“ - „ich bin schwer krank“, wird urplötzlich ein „bis zum 22. holt ihr ihn ab sonst…“. Von den darauffolgenden Schuldzuweisungen einmal ganz zu schweigen. 
Nicole sitzt bei dieser Nachricht gerade im Flieger aus Spanien, die letzten glücklichen Adoptionskandidaten für dieses Jahr im Gepäck. Die Freude über die gelungenen Unterbringung von Monty und Kenzo- mit einem Schlag dahin. 

Monty - im Glück

Beratungsgespräche – wie gehen wir damit um? Anwalt einschalten und auf Einhaltung des Vertrages pochen? Die Gefährdung des Ersthundes wegen Überforderung der Pflegestelle riskieren? 
Ein verängstigtes Tier, und sei es auch nur für ein paar Tage, bei jemandem belassen, der es partout nicht mehr in seiner Nähe will? Kann jemand trotz Pandemie und Feiertagen einspringen? Wer ist bereit, mitten in den Weihnachtsvorbereitungen, den Transport auch über hunderte Kilometer zu übernehmen? Einen traumatisierten Hund quer durch die Republik karren? Kaum Optionen, dafür aber umso mehr Unwägbarkeiten.

Die Nerven bis zum Zerreißen angespannt… Dennoch formulieren wir unseren Hilfsaufruf über die sozialen Medien neutral, schildern die missliche Lage sachlich und hoffen so kurz vor Weihnachten reichlich verzweifelt auf Hilfe. Es gib eine große Welle der Sympathie, zahlreiche Hilfsangebote und immer wieder auch Unverständnis für die Reaktion der betreffenden Pflegestelle. Der Beitrag wird weit mehr als 600 x geteilt und die Kommentarspalten füllen sich im Minutentakt. Die Welle der Hilfsbereitschaft ist beeindruckend. Manch ein Kommentarstrang gleitet auch ab in Diskussionen über Sinn und Unsinn von Pflegestellen, in Spekulationen über die möglichen Gründe, in Verständnis- und Unverständnis-Bekundungen für die Pflegestelle. All das muss moderierend im Auge behalten, Fragen beantwortet und möglicher Weise passende Hilfsangebote herausgefiltert werden, allein das ein Job, der uns über Stunden beschäftigt. 
Kontakt zu möglichen Pflegestellen aufnehmen, anderen absagen, Vorkontrolle und Vertragsunterzeichnung, genauso wie Transport organisieren, das alles erfordert enorm viel Zeit. Alle die daran beteiligt sind, sind berufstätig, haben Familie und Kinder, eigene Tiere, stecken in den Vorbereitungen für das Weihnachtfest – der Tag hat nur 24 Stunden. 
Alles andere muss zurückstecken, nicht weniger wichtige Arbeiten für den Tierschutz müssen liegen bleiben – die Erstellung und Versendung der Kalender, Adoptionsanfragen, Kontakt zu potentiellen Adoptanten, die Betreuung anderer Pflegestellen, der Adventskalender, Spendenprojekte – es wäre genug zu tun. 
Und nicht zuletzt liegt hinter uns allen ein anstrengendes Jahr voller Sorgen und Ängste, ein bisschen ruhiges Fahrwasser und Besinnlichkeit wäre so schön gewesen. 

Leevi

Die Aktion kostet uns nicht nur Nerven, sondern bares Geld, das wir -angesichts unserer Haushaltslage- so dringend benötigen, wir laufen Gefahr, dass potentielle Adoptanten abspringen, weil wir nicht zeitnah antworten können und seien wir ehrlich, einen richtig gelungenen Auftritt in der Öffentlichkeit gibt sowas auch nicht ab, gute Werbung sieht anders aus.
Dabei wähnten wir uns mit dieser Pflegestelle -obwohl wir das erste Mal zusammengearbeitet haben- gut aufgehoben. Die Dame kam auf uns zu, bot an ein junges, ängstliches Tier zu übernehmen und wurde uns von Tierschutzkollegen wärmstens empfohlen.
Auch wirkte sie in den zahlreichen Kontakten vorab freundlich, kompetent und professionell. Wir haben die Vorkontrolle selbst durchgeführt und waren wirklich überzeugt. Aber es stimmt: Man kann den Menschen immer nur vor den Kopf sehen. Wir wollen nicht in Abrede stellen, dass diese Pflegestelle in der Vergangenheit eventuell gute, professionelle Arbeit geleistet hat – in unserem Fall hat sie es leider nicht. Der Hund ist nun der Leidtragende.

Wir nehmen diese Erfahrung zum Anlass unsere Arbeit mit Pflegestellen generell zu überdenken. 2022 werden wir wohl wieder verstärkt auf Direktadoptionen setzen. Unsere Hoffnungen, mehr Tieren ein Zuhause geben zu können, wenn wir Adoptanten und Pflegestellen räumlich näher zusammenbringen, wird durch solche Aktionen wie diese hier knallhart torpediert. Auch wenn die meisten Pflegestellen wirklich gute Arbeit leisten: Es hilft uns nicht, wenn wir anschließend bei einigen wenigen Einzelfallbetreuung in dieser Form betreiben müssen und alles andere dafür tage- oder wochenlang auf der Strecke bleiben muss. Und das betroffene Tier auch noch promt ein weiteres Trauma erleidet.

Leevi

Für Leevi ist diese furchtbare Geschichte ein grauenvoller Start in ein anderes Leben. All das in den letzten Wochen mühsam von ihm aufgebaute Vertrauen in Menschen ist auf einen Schlag zunichte gemacht. Wir haben jemanden gefunden, bei dem er langfristig ab sofort und bis zur endgültigen Vermittlung bleiben darf. Für uns ein Glücksfall in der Not, für den verängstigten Hund ist dieser erneute Umzug eine Katastrophe.  Wir danken dieser neuen Pflegestelle dennoch von Herzen für ihre spontane Bereitschaft! 
Wanda übernimmt den Transport und bringt Leevi dort hin – dreieinhalb Stunden pro Fahrt… 

Die erste Meldung von Wanda nachdem sie Leevi verladen hat, treibt uns die Tränen in die Augen, der junge Hund ist so voller Angst und Panik, dass er sich im Auto komplett eingekotet hat. Wir wünschten einmal mehr, wir hätten Leevi in Spanien gelassen, die finanziellen Mittel gehabt ihm dort eine Pensionsunterbringung bei Carmen oder Eva finanzieren zu können und hätten dem Tier diesen furchtbaren Horrortrip erspart. Es tut uns furchtbar leid kleiner Mann!

Einen riesengroßer Dank geht auch an Christa, die sich durch die Hilfsangebote gewühlt hat und an alle anderen für´s Mut machen, Nerven beruhigen, Trösten, Tränen trocknen, Helfen und Hilfe anbieten!

PS.: Zwischenzeitlich bekamen wir von Leevis erster Pflegestelle tatsächlich eine schriftlich formulierte Kündigung des Pflegestellenvertrags, für uns überraschend sogar fristgerecht zum 16.1.2022. Wir sind fassungslos.
Ein Wort an diese "Pflegestelle": Bitte tu uns und anderen einen Gefallen, verschone weitere Vereine. Wenn du partout etwas für den Tierschutz tun möchtest, spende einfach Geld.


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